Klingelmäuschen
Ach, was war unsere Kindheit doch simpel früher. Kein ipad, kein Handy, alles was man im Spiel erlebt hat, musste man sich mit seiner eigenen Phantasie erarbeiten.
Dann kam der PC und die Zeit mit ihm war auch schön. Damals gab es das Wort Heimcomputer noch (heute erinnert nur noch ein Stück der Gruppe Kraftwerk von 1981 mit dem gleichen Titel daran), um den Rechner zu Hause von dem Grossrechner in der Firma und den dazugehörigen Arbeitsstationen zu unterscheiden.
Hin und wieder findet man noch eines dieser Monster in einem Rechenzentrum.
Meistens bei Unternehmen wie grossen Banken oder Versicherungen, die Angst haben die alten Systeme umzustellen, da es niemanden mehr gibt, der die eng „gestrickten“ Programme heute noch entwirren könnte.
Aus Angst, dass Finanzsoftware oder andere wichtige Systeme nicht mehr ordnungsgemäss funktionieren, zahlen sie Unsummen, um diese Dinosaurier der IT am Leben zu halten.
Wir haben viel verlernt seither. Wie man anständig auf alten Grossrechensystemen wie AS 400 oder MVS programmiert, oder um etwas näher am „Otto-Normalbürger“ zu bleiben, wie man einen Computer ohne bunte Bildchen auf dem Bildschirm benutzt.
Wir haben aber auch einiges gelernt. Zum Beispiel, dass man seinen Programmcode stets gut auskommentieren sollte, damit man ein Fiasko wie das der alten Rechensysteme, die man sich nicht mehr traut abzubauen, bei heutigen und zukünftigen Projekten ausschliessen kann (Oh, je ich schweife wieder ganz weit ab).
Aber trotzdem erinnere ich mich gerne an die alten Zeiten zurück und frage mich, was heutige Generationen zu so einem einfachen Zeitvertreib wie „Klingelmäuschen“ wohl sagen würden ?
Klingelmäuschen, auch bekannt unter den Namen Klingelmännchen, Blinde Mäuse, Klingelputzen, Klingelrutschen, Klingelsturm, Klingelpost, Schellemännchen, Schellekloppe oder Schellebergerles ist ein so genannter Klingelstreich.
Auf englisch übrigens als „ding-dong ditch“ bezeichnet, was ich persönlich auch sehr witzig finde.
Man drückt alle Klingeln an einer Haustüre, rennt dann um die nächste Ecke und freut sich diebisch, wenn die nichtsahnenden Bewohner den Türöffner drücken.
Noch interessanter ist es natürlich, wenn es eine Gegensprechanlage gibt und sich die einzelnen Mietparteien, die sich sonst nur durch unbestimmtes Kopfnicken auf dem Korridor miteinander verständigt haben, plötzlich anfangen über ihre kleinen Apparate neben den Wohnungstüren ein Gespräch zu führen (und sei es nur, um sich über „diese blöden Kinder“ aufzuregen).
Wenn ich es mir so im Nachhinein überlege, frage ich mich was um alles in der Welt war so interessant daran ? (Wahrscheinlich der Hauch des verbotenen )
Klingelmäuschen ist interessanterweise etwas, das es nicht überall gibt. Ein Umstand, den man sich eigentlich viel zu selten vor Augen führt.
Wann waren Sie das letzte Mal in Paris ? Haben Sie, als sie von Ihren französischen Freunden eingeladen wurden, auch verzweifelt das Klingelschild gesucht ?
Nun, es gibt keins. Da ist nur ein Nummernblock mit ein paar Tasten.
In Frankreich gibt es einen Code, den man seinen Gästen mitteilt, mit dem diese dann selbständig die Türe öffnen können.
Nun schauen wir einmal nach China: Viele Wohnungen oder Häuser haben keine Klingeln.
Gerade in den alten Stadtvierteln, den Hutongs (胡同 hú tòng) klopft man einfach.
Manchmal kann man auch eine nachträglich installierte Klingel sehen: Ein Taster mit einem Sender und einer Batterie, der die Gegenstelle in der Wohnung klingeln lässt.
In einigen Häusern gibt es einen Portier, der die Mieter anruft (das ist aber schon jenseits meiner Gehaltsklasse).
Und die meisten der modernen Wohnblocks haben ein Tastenfeld mit den Nummern von 0 bis 9, ähnlich denen in Frankreich.
Man könnte meinen, dass das gleiche Prinzip wie in der Grande Nation auch in China angewandt wird, aber weit gefehlt.
Es handelt sich hier tatsächlich um eine Klingel, ähnlich der unseren. Nur Namensschilder gibt es keine, was allerdings auch nicht weiter verwundert.
Denn es gibt unglaublich viele Einwohner in chinesischen Grossstädten (10, 20, 30 Millionen Einwohner und mehr sind keine Seltenheit), aber nur eine begrenzte Anzahl an Nachnamen.
Obwohl es eigentlich über 700 chinesische Familiennamen gibt, teilen sich die meisten Chinesen nur etwa 20 sehr häufig vorkommende von ihnen.
Und ein Klingelbrett auf dem sich die Namen ständig wiederholen macht keinen wirklichen Sinn.
Somit gibt man auf dem Nummernfeld die Appartement-Nummer an, damit es bei der gewünschten Person klingelt.
Hier würde Klingelmäuschen definitiv keinen Spass machen.
Es ist und bleibt eben doch ein Spass deutscher Kinder (oder vielleicht auch nur für ehemaliger Kinder. Spielen die Kinder von heute noch so etwas ? Vielleicht kann man es sich ja als App auf sein Mobiltelefon laden...).