Hundejahre
Die Haare waren bereits geschnitten und so konnte er kommen. Der Jahreswechsel.
Heute war es dann so weit, das chinesische Frühlingsfest oder auch chinesisches Neujahr genannt, wurde wieder einmal gefeiert.
Und was das mit den Haaren zu tun hat ? Nun: Während der Festtage soll man sich nicht die Haare schneiden lassen, da das Zeichen 发 (fà bzw. fā) so wohl in dem Wort 头发 tóu fà (Haare) als auch in dem Wort 发财 fā cái (reich werden) vorkommt.
Man würde also bildlich gesprochen die Möglichkeit reich zu werden einfach wegschneiden.
恭喜发财 gōng xǐ fā cái (viel Glück und Wohlstand) wünscht man sich auch gegenseitig zu dieser Zeit. Vor allen Dingen die Kinder, die dann, in alter chinesischer Tradition, einen roten Umschlag mit Geld bekommen.
Nach dem Jahr des Feuer-Hahns hat jetzt das Jahr des Erd-Hundes begonnen. (Den Aufbau mit den Tierkreiszeichen und den sogenannten Erdzweigen hatte ich ja in Artikel Affenzirkus beschrieben)
Da ist die Zeit schon wieder rum. Man könnte meinen, man rechnete in Hundejahren. Schon wieder ein Frühlingsfest.
Die Zeit ist ein wirklich seltsames Ding. Ist man beschäftigt, verfliegt sie und wenn nicht dann scheint sie still zu stehen. Und beschäftigt war ich diese Jahr. Keine Frage.
Was mich aber wirklich immer wieder verwundert ist, dass sie auch schnell vergehen kann, wenn nicht wirklich etwas passiert. In der Routine kann sie sich auch verlieren.
Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist „Der Zauberberg“ von Thomas Mann, den ich gerade ausgelesen habe.
Nicht nur die Geschichte selber beschreibt dieses Phänomen, auch wenn man das recht umfangreiche Buch zu Ende gelesen hat, ist inhaltlich rückblickend eigentlich nicht viel passiert, trotzdem war es zu keinem Zeitpunkt langweilig.
Ein beeindruckendes Gefühl, das nicht viele Autoren in dieser Form heraufbeschwören können.
Aber zurück zum Frühlingsfest, bzw. zum chinesischen Neujahr:
Dieses Jahr zum chinesischen Jahreswechsel war das zünden von Feuerwerk komplett verboten, man konnte Feuerwerksartikel nicht einmal kaufen.
Und wenn die chinesische Regierung etwas beschliesst, dann trägt sie auch dafür Sorge, dass es eingehalten wird.
Es war also ein ruhiger Nachthimmel in Beijing zum Übergang ins neue chinesische Jahr.
Ein Frühlingsfest ohne Knaller, das war schon sehr seltsam. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es tatsächlich ein Feuerwerk von offizieller Seite gab, in den Aussenbezirken von Beijing bekommt man davon nichts mehr mit. Abgesehen ist es nicht das gleiche. Zum Frühlingsfest gehören Menschen, die auf der Strasse Knaller zünden.
Wenn man an China denkt, dann kommen einen sofort ein paar Bilder in den Kopf. Reis, Tee und Feuerwerk sind definitiv immer mit dabei.
Der Luft in der Stadt hat es auf jeden Fall gut getan und auch die spärlich noch vorhandene Fauna hat es sicherlich genossen.
Aber ein chinesisches Frühlingsfest ohne Feuerwerk, das ist etwas das man für absolut undurchführbar hält, wenn man es zum ersten mal hört.
„Da wird sich niemand dran halten“ (Das hatte ich zumindest gedacht).
Ich hatte mich aber auch schon geirrt, als das Rauchverbot in deutschen Kneipen bindend wurde.
Genau die gleiche Situation. Ich hätte mir im Leben nicht vorstellen können, dass die Deutschen sich das verbieten lassen aber dann kam doch alles so wie angekündigt.
So sind die Deutschen eben. „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte !“ (ein Zitat, das Lenin zugeschrieben wird und es ziemlich gut beschreibt).
Und auch die Chinesen zetteln in der Regel heutzutage keine Aufstände an (zumindest die Han-Chinesen nicht und die machen nun mal über 90% der chinesischen Bevölkerung aus).
Während man in Deutschland weinerlich die Umstände beklagt und brav den Vorgaben folgt, sagt man sich in China wieder einmal 没办法 (méi bàn fǎ), also „da kann man nichts machen“ (hatte ich im Artikel Da kann man nichts machen bereits einmal drüber berichtet) und folgt den Regeln.
Rückblickend war es dann aber gar nicht so schlimm. Anders als in den vorherigen Jahren gab es keine minütlichen Explosionen auf dem Parkplatz hinter dem Haus, die die Alarmanlagen der Autos und Elektroroller ausgelöst und so eine ständige Geräuschwand aufgebaut haben.
Und in der Innenstadt, in den alten Stadtvierteln (胡同 hú tòng) war es bestimmt auch sicherer. Ich erinnere mich noch an ein Frühlingsfest in Beijing, an dem ich dort mit Freunden gefeiert hatte.
Ab 0:00 uhr glichen die Strassen einem Kriegsgebiet. Überall Explosionen und Raketenbatterien, die unaufhörlich Feuer in den Himmel schossen.
Ich habe an besagtem Tag dann auch erst morgens um kurz nach 6:00 uhr den Heimweg antreten können. Vorher war es einfach zu gefährlich.
So lange musste ich also in der kleinen Kneipe ausharren und weitertrinken. So kriegt man die Zeit dann auch rum.