Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz

Nein, es geht nicht um das Symbol des Christentums, obwohl wir dieses Thema als Teilbereich auch kurz anschneiden werden. Es handelt sich wieder einmal um das Hakenkreuz.
Bereits im Artikel Zeichen aus anderen Kulturen hatte ich geschrieben, dass das Hakenkreuz, so wie wir es kennen, eigentlich ein Plagiat ist. Ursprünglich ist es ein hinduistisches bzw. buddhistisches Glückssysmbol.
Es wurde im dritten Reich spiegelverkehrt zum Zeichen der NSDAP gemacht und ist heute in Deutschland verboten. Einzig zu bildungszwecken darf es noch präsentiert werden.
Die ursprüngliche Bezeichnung ist Swastika, Svastika oder Suastika; von Sanskrit स्वस्तिक svastika.
Man geht davon aus, dass die ältesten Swastikas bereits 10.000 vor Christus bekannt waren.
Und warum komme ich jetzt wieder darauf zurück ?
Es gibt seit zwei Jahren einen neuen Trend in Japan. Noch nicht in China, aber Sie wissen, wie das so ist mit Trends: Von einen auf den anderen Tag verbreiten sie sich schnell über die Ländergrenzen hinweg und somit könnte es auch schnell ein Trend in China werden.
Kurznachrichten, SMS, E-mails und Chats zeichnen sich nicht erst heutzutage dadurch aus, dass man viele Dinge verkürzt schreibt und Analogien oder Symbole zur Kommunikation benutzt (Sie erinnern sich bestimmt noch an den Artikel Der Ritter, der zur Garnele wurde).
In Japan ist es bei jungen Leuten zur Zeit angesagt hinter den Sätzen ein Hakenkreuz zu platzieren.
„Manji“ heisst es und wurde bereits 2016 zum populärsten Wort/Zeichen der Jugendsprache gekürt.
Es kann viele Bedeutungen haben, wobei alle mehr oder weniger auf der ursprünglichen Bedeutung des religiösen Symbols aufbauen.
Umfragen in Japan zeigen dabei deutlich, dass lediglich die älteren Generationen das Symbol auch in der Bedeutung zur Zeit des dritten Reiches kennen und sie merken auch bescheiden an, dass es eventuell international zu etwas Verwirrung führen könnte.
Grosse Teile der jungen Japaner und Japanerinnen kennen das Hakenkreuz als Zeichen für Nazi-Deutschland überhaupt nicht.
Von einer Nation, die Verbündeter der Deutschen im zweiten Weltkrieg war, hätte ich eigentlich etwas anderes erwartet.
Alleine wenn man sich international einmal umschaut wird man sehen, dass dieses Symbol immer wieder weltweit von rechtsradikalen Gruppierungen genutzt wird.
Nicht bloss in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern (zum Beispiel von angeblichen Motorradclubs) oder auch in Amerika.
Für mich als Deutschen ist dieses Symbol natürlich ein rotes Tuch (wie passend. Ist die Nationalflagge von 1933–1935, die es ziert, doch tatsächlich eines).
Gerade wenn man in Deutschland aufwächst, hat man zu diesen Dingen ein komplett anderes Verhältnis als der Rest der Welt und das fällt einem immer wieder auf, wenn man zum Beispiel in seiner Jugend Musik aus anderen Ländern hört.
Sid Vicious, Sänger und Bassist von den Sex pistols war bekannt für sein Hakenkreuz T-Shirt, das eben jenes Nazi Symbol gross auf seiner Brust zeigte.
Nun, die Sex Pistols sind bekannt dafür gegen Obrigkeit, Gehorsam und eigentlich alles gewesen zu sein.
Also das genaue Gegenteil von einem verirrten Geist, der Zucht und Ordnung auf den Strassen durch die Wiedereinführung der Rassengesetze wiederherstellen will.
Es war reine Provokation. Und da es eine englische Band war, um so mehr, schliesslich waren „die Nazis“ der Feind.
Heute noch gibt es Engländer, die dieses Feindbild gerne zum Anlass nehmen eine Schlägerei anzuzetteln.
Man sollte also in bestimmten Gegenden Londons abends am Tresen im Pub seine Herkunft lieber verschweigen, wenn man Deutscher ist.
Aber auch andere Bands haben mit den Symbolen des Nationalsozialismus herumgespielt.
Lemmy Kilmister, Sänger und Bassist der grandiosen Band Motörhead wurde unter anderem wegen einer SS-Mütze berühmt, berüchtigt.
Aber das sind alles Beispiele, von denen ich gerne glauben möchte, dass es sich bloss um stilistische Fehleinschätzungen der einzelnen Personen handelt.
In meiner Jugend gab es noch eine weitere Band und ich habe viel Zeit darauf verwendet um mich nachträglich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Als jugendlicher Kleinrebell sucht man immer nach etwas, das gegen das Establishment ist, in meinem Fall Rockmusik, Punkrock, alle möglichen Independent Stile und natürlich auch das Okkulte und der Satanismus (ich denke in jedem katholischen Haushalt muss man irgenwann mal durch diese Phase hindurch).
Man tut so unsinnige Dinge wie Kreuze (diesmal das christliche Symbol das an den Tod Jesu erinnern soll) auf den Kopf gestellt auf seine Hefte, Mäppchen und andere Schulutensilien zu malen, in dem Glauben, dass es sich um ein Teufelskreuz handele.
Später erfährt man dann, dass das umgedrehte Kreuz in Wirklichkeit ein Petruskreuz ist, benannt nach dem Apostel Petrus, der bei seiner Verhaftung in Rom darum gebeten hatte kopfüber gekreuzigt zu werden, da er seiner Ansicht nach nicht würdig wäre auf die gleiche Weise wie Jesus Christus zu sterben.
Wie auch immer, man macht viel Unfug, wenn man als Jugendlicher seine Grenzen austesten will (wahrscheinlich haben Lehrer und Eltern damals genau so darüber gelacht, wie ich jetzt).
Dazu gehört natürlich auch die passende Musik: Und wieder ist es eine englische Band, die mich in ihren Bann gezogen hat. Sie hiess „Death in June“.
Lieder vom Tod erzählt und musikalisch untermalt in einer grausig-schönen Weise.
Titel wie „Come before Christ and murder love“ oder Aussagen wie „To love is to lose and to lose is to die“ sind genau das, was man zu dieser Zeit gesucht hat.
Den Umstand, dass der SS Totenkopf hin und wieder mal die Plattencover zierte, hat man damals wieder als eine Art Provokation abgetan, ähnlich dem T-Shirt von Sid Vicious.
Bei genauerer Betrachtung der Texte und der Cover wurde es dann aber immer klarer.
Titel wie „Hail the white grain“ oder das Plattencover der Single „Sun dogs“, die unter anderem den Titel „Rose clouds of holocaust“ (der Titel alleine spricht schon Bände) beinhaltet, auf dem vier Hundeköpfe so angeordnet sind, dass sie ein Hakenkreuz bilden (da sind wir wieder), lassen eigentlich keine Fragen mehr offen.
Der Grund weshalb ich so sehr auf diese spezielle Band eingehe ist der, dass sie mich bis tief ins Mark enttäuscht haben.
Sie waren für mich damals eine musikalische Neuentdeckung. Musik, die einzigartig war und ich würde mir wünschen, sie hätten über andere Dinge gesungen.
Da nicht alle Texte so offensichtlich beschreiben worum es geht, habe ich zu Anfang tatsächlich den Inhalt in einem komplett anderen Kontext gesehen.
Nach und nach ist es dann durchgesickert und der schlechte Beigeschmack wurde immer stärker, obwohl man vehement versucht hat, diese Musik, die man doch so mag nicht aufzugeben.
Heute kann ich diese Dinge auseinanderhalten. Die Musik und die gesamte Mystik haben mich fasziniert, der Inhalt aber, nachdem ich ihn richtig deuten konnte, war und ist mir absolut zuwider.
Bis heute wird zwar noch kontrovers diskutiert, ob die Band tatsächlich diese Sichtweisen vertritt, oder es aus einem künstlerischen Verständnis heraus etwas anderes, oder sogar das Gegenteil bedeutet, aber für mich ist hier Schluss. Das ist einfach zu viel. Musiker, die in SS Uniformen auftreten, treffen so gar nicht meinen Geschmack.
Ebensowenig kann ich etwas mit Kunstperformances des Künstlers Jonathan Meese anfangen, der immer wieder mit dem exzessiven Gebrauch des Hitlergrusses für Aufsehen sorgt (Kunst oder nicht, das muss ich nicht haben).
Es wäre tatsächlich besser gewesen, sie hätten damals einfach rein satanische Texte zum besten gegeben, da man diese als mehr oder weniger normale Jugendsünde abtun kann. Ein Irrglaube, den man, ähnlich dem Gläserrücken eh nicht wirklich glaubt, es ist wie das T-Shirt eher eine Provokation.
Aber Rechtsextremismus ist eine andere Geschichte. Das geht gar nicht!
Ein Künstler, der dieser Band in ihren Anfangszeiten immer wieder mal seine Stimme für einige Lieder geliehen hatte ist David Tibet.
Ein sehr verdrehter Charakter. Das Wort „verrückt" reicht schon nicht mehr aus um ihn zu beschreiben.
Und obwohl er in vielen dieser Stücke Gastauftritte hatte, scheint er diese politischen Ansichten überhaupt nicht zu teilen.
Gott sei Dank! (Da kommen die katholischen Wurzeln wieder durch ) Denn er hatte tatsächlich grossen Einfluss auf meinen musikalischen Werdegang.
David Tibet umgibt sich für seine musikalischen Exzesse unter dem Bandnamen „Current 93“ immer wieder mit anderen Musikern, dementsprechend klingt auch jedes Album anders.
Und auch in seinen Stücken hatten schon viele bekannte Namen Gastauftritte, darunter Nick Cave, Marc Almond oder Björk (um nur ein paar der bekannteren zu nennen).
Auch in seinen Stücken taucht das Hakenkreuz hin und wieder auf. Allerdings ist seine Sichtweise auf dieses Symbol doch eher die, die auch in Asien weit verbreitet ist.
Die ursprüngliche Bedeutung des Hakenkreuzes als Glückssymbol. David Tibet (sein Künstlername verrät es bereits) interessiert sich über die Maßen für Religionen, Okkultismus und andere spirituelle Sichtweisen.
So vereinigt er gerne mal buddhistische Ansichten mit christlichen oder singt über Satan oder seltsame Fabelwesen.
Und wenn das besagte Symbol einmal in einem Kontext auftaucht, der durchaus der des dritten Reiches oder der seiner Nachahmer aus heutigen Zeiten sein kann, dann ist es in einer kritischen Art und Weise, so wie der Titel des Albums „Swastikas for noddy“ es sehr plakativ bestätigt.
Obwohl Noddy angeblich eine Figur von Enid Blyton beschreibt, liest sich der Titel übersetzt als: „Hakenkreuze für die Dummköpfe“.
Um am Ende dieses Artikels zu einem Fazit zu kommen, muss ich versuchen meine deutsche Herkunft ausser Acht zu lassen, da für mich das Hakenkreuz immer ein unschönes Gefühl hinterlässt.
Aber es ist nun einmal, wie es immer ist: aus verschiedenen Blickwinkeln sehen Dinge immer wieder anders aus.
Dabei muss man auch ganz klar erkennen, dass sich die Weltbevölkerung nicht einfach dazu bewegen lassen wird, ein jahrtausendealtes Symbol als nicht mehr zumutbar einzustufen, nur weil es in einem Teil der Welt zweckentfremdet wurde und Geschichte geschrieben hat (auch wenn unter ihm schreckliche Dinge passiert sind).
Man geht immer davon aus, dass „die ganze Welt“ Dinge wie diese gleich bewertet, vergisst aber, dass es auf der anderen Hälfte der Weltkugel noch ein weiteres Stück Welt aus einem komplett anderen Kulturkreis gibt, der zum Beispiel Symbole wie dieses dann, aus einer jahrtausende alten Geschichte heraus, eben anders bewertet.
Man muss wirklich beide Sichtweisen berücksichtigen, um der Bedeutung dieses Symbols tatsächlich gerecht zu werden.
Und als zweites Fazit: Man kann eine Band, deren Musik man bewundert hat, trotzdem als Scheißband einordnen.