Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich.

Ich war wieder kurz in Südkorea um dort die IT für unser Office vor Ort einzurichten, nachdem sie umgezogen sind.
Und bei der Fahrt im Taxi vom Flughafen zum Hotel ist es mir wieder einmal aufgefallen: Im Stadtbild von Seoul finden sich unglaublich viele, teils neonbeleuchtete Kreuze.
Das Symbol des Christentums findet sich überdurchschnittlich oft in dieser asiatischen Stadt wieder.
Nicht selten wurde auf ganz normale Wohnhäuser ein spitzer Turm mit gotischen Ornamenten gesetzt, dessen Spitze das Kreuz ziert. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier stünde tatsächlich eine alte gotische Kirche, deren Turm hinter den Bürogebäuden in den Himmel ragt.
Nirgendwo in Asien sieht man so viele Kreuze und das hat natürlich wieder mein Interesse geweckt.
Nach einer kurzen Recherche hat sich tatsächlich herausgestellt: Mit über 20% Anteil an den religiösen Gruppen in Korea ist der Katholizismus doch sehr ausgeprägt. Die Protestanten bringen es sogar über 34%. Damit sind diese beiden Gruppen neben dem Buddhismus und dem Konfuzianismus (den ich persönlich nicht als Religion, sondern als Philosophie einstufen würde) die mit 43% ganz klar Platz eins belegen, doch sehr weit verbreitet.
Interessanterweise ist der Katholizismus noch zur Zeit der drei streitenden Reiche aus China nach Korea gekommen.
Damals war die Christenverfolgung in Korea noch weit verbreitet, weshalb es heute im weltweiten vergleich Platz vier belegt, was die Anzahl der Heiligsprechungen angeht.
In China sieht das Bild ganz anders aus. Nicht nur, dass das Christentum nicht so weit verbreitet ist, sondern Angehörige einer religiösen Gemeinschaft überhaupt sucht man oft vergebens.
In China gibt es die Religionsfreiheit. Das bedeutet, dass jeder grundsätzlich an das glauben darf, was er will.
Soweit der offizielle Stand zum Glauben im allgemeinen. Wenn man allerdings einer religiösen Vereinigung beitreten möchte, muss man wissen, dass diese noch an etwas strengeren Standards gemessen werden.
Offiziell als Religionen anerkannt sind Buddhismus, Daoismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus. Diesen darf man dann auch in einer Gemeinschaft beitreten.
Man sollte allerdings darauf achten, dass sich die religiösen Interessen der Glaubensgemeinschaft nicht aus Versehen mit denen der chinesischen Partei überschneiden, dann ist alles gut. Gewisse Themen sind eben heilig und es ist nicht erwünscht, sie in einem religiösen Kontext zu betrachten.
Offiziell heisst es: die Religion darf nicht zu konterrevolutionären Tätigkeiten missbraucht werden, durch die Religionsausübung darf die öffentliche Ordnung nicht gestört werden und die religiösen Aktivitäten dürfen nicht durch eine ausländische Macht kontrolliert werden.
Es gibt auch noch andere Gruppen, die zwar existieren, die aber offiziell nicht wahrgenommen werden. Juden in China zum Beispiel.
Sie machen eine Gruppe von geschätzten 2500 Menschen in China aus. Das sind einfach zu wenig, um in einem Land mit einer Bevölkerungszahl von über einer Milliarde Menschen überhaupt erwähnt zu werden.
Es ist also nicht so, dass grundsätzlich alle anderen Religionsgemeinschaften nicht erwünscht sind.
Aber die meisten Chinesen sind ja heutzutage eh religionslos. Ein Umstand, der natürlich eng mit der Kulturrevolution verwoben ist.
Dafür hat sich flächendeckend ein Volksglaube erhalten, der teils aus religiösen, teils aus nicht-religiösen Praktiken besteht, denen viele Menschen hier folgen, ohne tatsächlich einer Religion oder religiösen Organisation anzugehören.
Die Rede ist hier von ritueller Ahnenverehrung, Geisterglauben und Wahrsagerei.
Walnussarmbänder oder bunte, geflochtene Bändchen, die man am Handgelenk trägt sind durchaus keine Seltenheit. Und auch Talismane, Götter-, Geister- oder Dämonenstatuen, die auf dem Kühlschrank in der Büroküche stehen denen man ohne Unterlass frisches Obst, Schnaps und Räucherstäbchen opfert, sind immer wieder zu finden.
Opfergaben in Tempeln vor Prüfungen, für ein Gelingen im Job oder um für männlichen Nachwuchs zu bitten sind ebenfalls Dinge, die Chinesen überdurchschnittlich oft tun, ohne tatsächlich religiös zu sein.
Und selbst der Glaube an Geister, die uns in dieser Welt hin und wieder besuchen, gehören zum täglichen Leben vieler Menschen hier.
Wahrsagerei was Arbeits- oder Liebesleben angehen sind auch keine Seltenheit. Und die Bestimmung des perfekten Tages für die Hochzeit oder die Eröffnung des neuen Büros anhand eines glücksverheissenden Datums sind noch verbreiteter als alles andere zusammen und liegen immer in der Hand von Eingeweihten in die mystische Welt der Zahlenmagie. Da werden auch Sie als Ausländer nicht drumherum kommen. Gewöhnen Sie sich einfach daran.
Viele Überzeugungen gehen auch noch mit alten Wissenschaften einher, so wie die von mir immer wieder zitierte Kraft des Qi (气 qì), die in der chinesischen Medizin über den Körper hinaus wirken kann.
Gelebte Traditionen wie das Schmücken der Haustüre mit Glücks- oder Schutzsymbolen (zum Beispiel zum Frühlingsfest), die bunten Bänder, die die Kinder schützen zum Drachenbootfest und viele andere Dinge werden in China richtig gelebt.
Fragt man die Chinesen, ob sie tatsächlich an die guten oder bösen Omen glauben, bekommt man als Antwort, dass alles eher pragmatisch, als Tradition angesehen wird.
Wenn man allerdings diese Traditionen nicht richtig anwendet, oder ganz aussen vor lässt, merkt man doch schnell wie alle plötzlich nervös werden und schnellstmöglich alles wieder ins Reine bringen wollen (man glaubt zwar nicht wirklich dran, aber man kann ja nie wissen...).
Ein besonders schöner Brauch ist der des Tee Talismans. Im Artikel Abwarten und Tee trinken hatte ich ja bereits kurz die chinesische Teezeremonie vorgestellt.
Dazu kann man sich auch noch einen Tee Talisman kaufen. Eine kleine Figur, meist ein Drache, eine Schildkröte oder eine Buddha- bzw. Mönchsfigur, die man in seinen täglichen Tagesablauf mit einbezieht und beim Aufbrühen des Tees übergiesst um sie wohlwollend zu stimmen (sollte ich mir vielleicht auch noch zulegen. Bringt vielleicht Glück, man kann ja nie wissen... ).
Der Ausspruch „Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich“ stammt übrigens von dem französische Schriftsteller Victor Hugo und heisst im Original „croire est difficile, ne pas croire est impossible“.
Zugegeben, er ist hier etwas aus dem Zusammenhang gerissen, da er ein Auszug aus einem Text ist, nicht einfach nur ein Sinnspruch, aber er passt hier gerade sehr schön.