Sehr gut, weitermachen!
Wer erinnert sich nicht gerne zurück an die Partyzeit in seiner Jugend oder vielleicht auch zu Studienzeiten ?
Abends raus, die Nacht in der Lieblingskneipe oder Disko durchgemacht, der Absacker zieht sich bis zum Frühstück, wo man in irgendeiner verlassenen Kneipe mit alten Männern vor ihren Rentnergedecken über Gott und den Ausbau der Hauptstrasse philosophiert.
Die Gäste wechseln, man ist immer noch da und trinkt sich wieder nüchtern, um an diesem zweiten Tag direkt noch einmal in der Lieblingskneipe oder Disko die Nacht durchzumachen.
Die Eltern unter ihnen, die Kleinkinder haben, werden darüber, genau wie ich, nur noch müde lächeln können.
Zugegeben: man tut sich solch ein Programm freiwillig nicht mehr an und ist froh, wenn man irgendwann auch mal seine Ruhe hat.
Aber wenn der Nachwuchs die Nächte hindurch schreit, weil er Fieber hat, absolviert man ein Programm, das um einiges härter ist als das in den Kneipen zu Jugendzeiten, alleine schon aus dem Grund, weil es so rein gar nichts mit Spass zu tun hat.
Einzig vergleichbar wäre da noch Wehrzeit, die man damals bei der Bundeswehr abgerissen hat (Gott, was haben wir einen Unsinn angestellt...).
„Sehr gut, weitermachen!“ ist ein Ausspruch, der bei der Bundeswehr immer wieder verwendet wurde.
Damals, als es noch die Wehrpflicht gab und die sogenannten „Bürger in Uniform“ in den Kasernen des Landes Trinkrekorde aufgestellt und immer wieder gebrochen haben, sind die Ausbilder in unregelmässigen Abständen immer wieder auf den Stuben erschienen, um zu inspizieren und bei der kleinsten Staubflocke die Kameraden zu Wochenenddiensten zu verdonnern.
Nur, wenn die Schubleisten der Schubladen im hintersten Winkel des Spinds ebenso tiptop sauber waren wie die Kabelklemme unter dem Plastikschutz der Deckenleuchte, dann konnte man diesen Satz hören.
Er heisst übersetzt so viel wie: „Ich würde etwas zu beanstanden finden, wenn ich weiter suchte, aber ich bin zu faul und finde bestimmt auf einer anderen Stube schneller etwas, das mir missfällt“ und hat sich in meinem Freundeskreis inzwischen zu einem witzigen Spruch etabliert, der eigentlich immer passt. Zu diesem Wochenende zum Beispiel:
Freitagmorgen 4:00 Uhr. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund ist unser Sohn hellwach und will spielen.
Offizieller Arbeitsbeginn ist 10:00 Uhr, ich hätte also theoretisch noch eine Menge Zeit um auszuschlafen.
Man kann versuchen sich schlafend zu stellen, aber wenn Sie Eltern sind wissen Sie, dass Sie dann auf Grund des schlechten Gewissens gar nicht mehr schlafen könnten.
Also raus aus den Federn und die Plastikbälle hinter dem Sofa hervorkramen (So lange wird er schon nicht durchhalten, bis er wieder müde wird). Aber weit gefehlt.
Um 6:00 dann gemeinsames Frühstück und von 7:00 bis 8:00 eine Runde mit dem Kinderwagen um den Block. „Sehr gut, weitermachen!“
8:30, ich mache mich fertig um zur Arbeit zu gehen, während mein Sohn endlich müde wird und Schlafen geht.
Ein langer Tag auf der Arbeit, jeweils eine Stunde hin und eine zurück in der völlig überfüllten Bahn. Draussen sind es 38 Grad Celsius. Aber es ist ja zum Glück gleich Wochenende.
Endlich zu Hause angekommen und die Schuhe noch nicht ausgezogen, Tasche packen, der kleine hat Fieber und muss zum Arzt (was in China Krankenhaus bedeutet). „Sehr gut, weitermachen!“
Einen Wagen gerufen, eine Stunde ins nächste Kinderkrankenhaus gefahren, eine Nummer gezogen, 50 Leute vor uns, es ist 23:00 Uhr.
Um 1:00 sind wir schon an die Reihe, es ging diesmal wirklich schnell. Der Kleine muss während der ganzen Zeit auf dem Arm getragen werden, da er sonst nicht still zu kriegen ist. „Sehr gut, weitermachen!“
Untersuchung, Diagnose, Arznei abholen, Wagen zurück nach Hause, es ist 3:00 oder 4:00 (wer weiss das jetzt schon noch).
Der Kleine hat kurze Schlafperioden, in denen man sich mal kurz ausruhen kann, ansonsten läuft man mit ihm auf dem Arm durchs Zimmer und singt David Bowie und die Beatles. Der Rücken schmerzt. „Sehr gut, weitermachen!“
Das Wochenende, Tag wie Nacht, hat man so verbracht, immer im Halbschlaf, immer den Kleinen auf dem Arm.
Montagmorgen. Ich fühle mich wie der sprichwörtliche Montagmorgen höchst persönlich und meine Frau natürlich auch. Es geht zur Arbeit. Hauptsache dem Kleinen geht es wieder besser. „Sehr gut, weitermachen!“
Wer jetzt noch glaubt, dass sein Kneipenmarathon von Samstagnacht mich in irgendeiner Weise beeindrucken könnte, dem schenke ich das müdeste Lächeln, das die Welt je gesehen hat.