Die Menge macht das Gift
Bananen sind auf Grund von Kaliumisotopen leicht radioaktiv. Man sollte also tunlichst darauf achten nicht zu viele zu essen, da die Strahlendosis sonst gefährlich werden könnte.
Aus diesem Grund sollten Sie nie mehr als 600 Bananen pro Sekunde zu sich nehmen.
Aber Spass bei Seite: Ob eine Substanz ein Gift oder eventuell sogar Medizin ist, hat natürlich in erheblichem Maße mit der Dosierung zu tun.
Eine Weisheit, die in westlicher, ebenso wie in chinesischer Arzneimittel-Medizin bekannt ist.
Die chinesische Arzneimitteltherapie (中药治疗 zhōng yào zhì liáo) ist neben Akkupunktur, Massage (siehe Artikel Bis es weh tut), Bewegungstherapie (siehe Artikel Immer wieder ein Kampf
) und Ernährungslehre eine der fünf Säulen in der chinesischen Medizin.
Sie hat eine lange Geschichte und ist verwoben mit anderen Kulturen, deren medizinischen Kenntnisse ebenfalls weit zurückreichen wie die Indische, die Persische oder auch die Tibetische.
Letztere zählen einige Leute auch zur chinesischen Medizin, andere wiederum nicht. Das ist aber eine politische Klassifizierung und soll uns an dieser Stelle nicht kümmern. Interessant ist einzig, dass sie in einigen Bereichen ein wenig voneinander abweichen.
Gerade diese genannten Länder sind ja bekannt für ihr unerschöpfliches Wissen über pflanzliche Heilmittel.
Ein Wissen das in Europa spätestens mit den Hexenverbrennungen fast ausgelöscht worden ist. Gegen den übrig gebliebenen kleinen Rest so wie pflanzliche Präparate aus anderen Ländern hat die Pharmaindustrie ja immer wieder schon versucht anzukämpfen und diese vom deutschen und europäischen Markt ausschliessen zu lassen.
Mit Hilfe der „European Directive on Traditional Herbal Medicinal Products“ ist es dann passiert. Klassische Heilkräuter müssen eine Zulassung für den europäischen Markt bekommen bevor sie dort weiterhin als Heilmittel eingesetzt werden dürfen. So etwas ist teuer, das bedeutet dass sie in der Regel keine Zulassung bekommen.
Falls Sie sich also wundern, warum Kamillentee bei einem unruhigen Magen nicht mehr wirkt, fahren über die Grenzen der EU hinaus und trinken Sie ihn hier. Hier darf er noch offiziell heilen.
Chinesische traditionelle Heilmittel sind unter solchen Umständen auch schwer zu bewerten, da sie stets individuell auf den Patienten und seine derzeitige Situation abgestimmt und gemischt werden. Eine von der westlichen Medizin anerkannte Studie, wie welches Mittel tatsächlich wirkt, ist daher nur schwerlich durchzuführen.
In China hat sich das Wissen um die heilende Wirkung vieler verschiedener Substanzen im täglichen Leben bis heute erhalten. Selbst Gerichte, die man zu Hause oder im Restaurant zu sich nimmt werden nicht selten medizinisch klassifiziert.
Wenn man eine Erkältung hat, sollte man zum Beispiel kein Lammfleisch essen oder auch keine scharfen Speisen. Und es gibt selbstverständlich viele Dinge die für schwangere Frauen tabu sind.
Es gibt zu so ziemlich jeder Pflanze und jedem Tier so wie deren Bestandteilen eine Meinung ob es gut oder schlecht für die Manneskraft ist, wenn man sie vermehrt zu sich nimmt.
Und es gibt das Wissen um Kräuter die sich positiv auf Beschwerden im Alter auswirken usw. usw.
Viele der Mittel für oder gegen unzählige Symptome sind einfach ohne Rezept in der Apotheke zu bekommen, da sie meist rein pflanzlich und somit weitestgehend Nebeneffektfrei sind.
Lediglich 10% der Arzneimittel, die der klassischen chinesischen Medizin zuzurechnen sind, sind mineralischen oder tierischen Ursprungs.
Die Rezepturen werden anhand eines diagnostischen Gesprächs, auf das wir später noch zu sprechen kommen, individuell für den Patienten zusammengestellt.
In der Regel handelt es sich um eine Mischung, die aufgekocht werden muss und dann als eine Art Tee verabreicht werden kann.
Ich will Ihnen an dieser Stelle auch nicht verschweigen, dass diese Rezepte ausnahmslos widerlich schmecken. Der Charakter der Medizin zeigt sich ganz deutlich bereits im Geschmack.
Die chinesischen Ärzte haben in der Regel Wissen so wohl über westliche, als auch über chinesische Medizin und können aus einem wesentlich grösseren Fundus an Medizin schöpfen, als es ein vergleichbarer Doktor in Deutschland könnte.
Auch wenn die alternativen, meist pflanzlichen Mittel in der Regel sauer, bitter oder in anderer Weise unappetitlich schmecken, so kann man mit ihnen doch oft Probleme behandeln, ohne direkt neue, aus den Nebenwirkungen der Arznei resultierende, zu schaffen.
Ich würde mir ein wenig mehr Weitsicht in dieser Richtung auch in deutschen Praxen und Krankenhäusern wünschen.
Das Wissen um die chinesische Kräuterkunde geht auf die Schrift „Shennongs Klassiker der Kräuterheilkunde“ (神农本草经 shén nóng běn cǎo jīng) zurück.
Ein Buch, das angeblich von Meister Shennong (神农 shén nóng), einem mythischern Kulturhelden, der vor 5000 Jahren gelebt haben soll und der zu den drei Erhabenen zählt, zusammengestellt wurde.
Wann es tatsächlich fertiggestellt wurde, da schwanken die Quellen zwischen dem Ende der Westlichen Han Dynastie (9 v. Chr. oder davor) und dem Jahr 100 n. Chr.
Wie auch immer, die letzten Einträge in das Werk dürften auf jeden Fall knapp 2000 Jahre alt sein.
Über die Zeiten bis heute wurden immer wieder Substanzen entdeckt, trotzdem sagt man, dass ungefähr zwei Drittel aller bekannten Mittel seit mindestens eben genau diesen 2000 Jahren bekannt sind und angewandt werden.
Die chinesische Heilmittelmedizin geht Hand in Hand mit der chinesischen Diagnostik, bei der neben einem ausführlichen Gespräch Dinge wie der Puls und die Zunge von zentraler Bedeutung zur Erkennung von Beschwerden sind.
Die chinesische Diagnostik und die chinesische Heilmittelmedizin werden dabei nach dem „Yin und Yang Prinzip“ (阴阳 yīn yáng) angewandt: Anders als bei uns, wo man den Fokus auf das Problem legt und ein Mittel sucht, das dieses behebt, betrachtet man in der chinesischen Medinzin den Organismus immer als Ganzes.
Ausgehend davon, dass in einem gesunden Körper alle Kräfte im Gleichgewicht sind, versucht man bei einem Kranken das Ungleichgewicht zu entdecken und wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dann kann laut chinesischer Medizin der Körper sich selber heilen.
Dabei werden mehrere Faktoren berücksichtigt, die ein Ungleichgewicht hervorrufen können: innere (z.B. Emotionen), äussere (z.B. das Klima, ein Unfall) und neutrale (z.B. falsche Ernährung).
Dass dieses Verfahren seine Grenzen hat, steht natürlich ausser Frage. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Knochenbruch derart zu behandeln.
Aber es kann unterstützend angewandt werden und es gibt natürlich unzählige andere Beschwerden, für die sich diese Art der Behandlung generell anbietet.
Man merkt aber auch, dass einige der Weisheiten nur bedingt funktionieren. Ich nehme, wie die meisten Ausländer, Unmengen kalter Getränke zu mir (auch wenn ich mir das Teetrinken angewöhnt habe, gerade im Sommer brauche ich etwas kaltes).
Zum Frühstück kalte Milch und den Tag über auf der Arbeit kaltes Wasser oder andere gekühlte Getränke. Laut chinesischer Ernährungsphilosophie müsste ich todkrank sein. Es lässt sich also nicht immer alles eins zu eins auf jeden Menschen übertragen (siehe Artikel Die kochen auch nur mit Wasser).
Wenn auch die meisten, so sind dennoch nicht alle medizinischen Substanzen einfache Blüten oder Blätter.
Für einen Ausländer immer wieder interessant sind die Auslagen in chinesischen Apotheken, in denen sich getrocknete Raupen oder Schuppenkriechtiere neben Vogelnestern und anderem undefinierbaren Krimskrams in Einmachgläsern dem staunenden Beobachter zur Schau stellen.
Ein besonders kurioses Fundstück ist der 冬虫夏草 dōng chóng xià cǎo (chinesischer Raupenpilz). Es ist weder ein rein pflanzlicher Heilstoff, noch ein rein tierischer.
Der Raupenpilz ist unter anderem in den höheren Regionen in Tibet zu finden und befällt Raupen einer bestimmten Gattung, wenn sie Wurzeln fressen. Der Pilz wächst dann aus dem Organismus der Raupe hinaus und macht sie zu einem Teil von ihm.
Dies ist nicht nur ein sehr kurioses, sondern auch ein recht kostspieliges Arzneimittel.
Deshalb verwundert es auch nicht weiter, dass er inzwischen vermehrt als exklusives Geschenk verwendet wird.
Er wird oft mit Huhn oder Ente zusammen gekocht um seine volle Wirkung entfalten zu können und soll kräftigend und aphrodisierend wirken und die Ausdauer der Libido positiv beeinflussen.
Darüber hinaus sagt man ihm nach er würde Beschwerden wie Lungen-, Leber- Nieren- und Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie Rückenschmerzen lindern und er sei gut zur Behandlung von Tumoren, Krebs und Viren.
Das lasse ich einfach mal unkommentiert so stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich selber diese Arznei probieren werde um eine Meinung dazu zu haben geht gegen Null.
Aber andere Mittel, die aus dem grossen Fundus der traditionellen chinesischen Medizin stammen kann ich durchaus empfehlen (Sie erinnern sich sicher an den Artikel Kein Schnupfen ist so schlimm wie der eigene). In diesem Artikel sind die Präparate bereits als fertige Medizin verarbeitet, man braucht nichts aufzukochen und es sind auch keine individuell zusammengestellten Mischungen, sonder allgemein gültige für jedermann bei Allerweltsbeschwerden. Trotzdem handelt es sich um traditionelle chinesische Präparate.
Wenn man Deutschland und China und deren Arzneimittel direkt mit einander vergleicht, kommt man früher oder später zu der Frage „Warum gibt es in China so viel offensichtlich gut funktionierende, pflanzliche Präparate und in Deutschland nicht ?“
Nun, erst einmal hat die Heilmittel-Medizin in China eine sehr lange Tradition, in Deutschland nicht.
Wie gesagt, altes medizinisches Wissen wurde früher durch die katholische Kirche oft als Magie abgetan, verteufelt und ausgerottet. Weshalb viele Kräuterheilmittel in unseren Breitengraden heute nicht mehr bekannt sind.
In Deutschland ist man pflichtversichert und das gesamte System von Krankenkassen, über Ärzte und Pharmaindustrie ist ein eingespieltes System, das für jedermann in Deutschland gleich gut funktioniert.
Das ist in China anders. Menschen, die auf dem Land leben haben oft nicht nur nicht das Geld um sich entsprechend zu versichern, oft gibt es auch keine Versicherung für sie.
Versicherungsunternehmen versichern nämlich nur Menschen aus bestimmten Regionen. So sind viele alte Leute oft auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen, wenn diese in Chinas Großstädte gezogen sind und die Möglichkeit haben die Eltern nachzuholen und eine Versicherung für sie abzuschliessen. Aber auch das ist nicht ganz so einfach, wie es sich anhört, da gibt es noch weitaus mehr Hürden, die genommen werden müssen.
Eine alte chinesische Weisheit besagt, dass man sich immer gut ernähren sollte, denn es ist der einzige Weg gesund zu bleiben, wenn man sich den Arzt nicht leisten kann.
Und hier kommt auch wieder die traditionelle chinesische Arzneimittel Medizin ins Spiel. Die meisten Mittel sind auch für Menschen erschwinglich, die sich einen Krankenhausbesuch nicht leisten können.
In einem Land, in dem die Kluft zwischen arm und reich so gross ist, wie in China ist dieses Konzept also unverzichtbar.