In der Ruhe liegt die Kraft
Ich bin heute morgen in einen der Läden gegangen, die ich in dem Artikel Frühstück bereits einmal beschrieben hatte, um Frühstück zu kaufen.
Wir sind nach einem langen Trip durch Europa gestern erst gelandet und ich bin heute noch völlig übermüdet durch den Jetlag.
Ich habe also einige Dinge auf mein Tablett gelegt, mir zwei Fruchtsäfte aus dem Regal dazugepackt und mich an der Kasse angestellt.
Just in dem Moment ist das Kassensystem abgestürzt. Ein auf Windows XP basierendes System, das zum neu starten und der Erkennung all der Lesegeräte für Barcodes der verschiedenen Bezahlsysteme, dem Belegdrucker und all möglicher anderer Peripherie schon mal etwas länger brauchen kann.
Nach dem Neustart muss sich das System dann noch mit dem Server und der Datenbank verbinden, die Freigaben müssen elektronisch erteilt werden und es muss sich mit den Gegenstellen der elektronischen Bezahlsysteme verbinden. Das kann schon mal bis zu 10 Minuten dauern.
Der Verkäuferin war diese Situation merklich unangenehm, vor allen Dingen nachdem Sie einen Ausländer in der Schlage gesehen hatte.
Das arme Mädchen wurde immer blasser, jedes mal wenn der Computer mit einem Piepen zu verstehen gab, dass wieder ein System mehr online ist, aber eben noch nicht alle.
Ich war dann auch der einzige, bei dem Sie sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt hatte.
Das kann aber auch daran gelegen haben, dass ich der einige war, der sich nicht lautstark über Sie und den Service beschwert hatte.
Und da ist es mir aufgefallen: Ich bin natürlich nicht der einzige geduldige Mensch in der Kassenschlange, der weiss sich zu benehmen, während all die anderen die bösen Buben sind.
Es ist viel mehr so, dass mir die richtigen Wörter fehlen um meinem Ärger auf chinesisch Luft zu machen.
Wenn ich als Teenager oder Jugendlicher angefangen hätte Chinesisch zu lernen, wären die ersten Worte in meinem Wortschatz sicher Schimpfwörter, Beleidigungen und alle möglichen Ausdrücke für Geschlechtsteile gewesen.
Diese Wörter sind für meinen jetzigen Sprachgebrauch völlig unnötig, deshalb habe ich sie auch nie gelernt.
Abgesehen von ein paar Redewendungen die man so mitbekommt, kann ich auf chinesisch weder fluchen, noch jemanden beleidigen.
Und das ist, wie ich finde, auch gut so. Ich denke mir also meinen Teil, anstatt pöbelnderweise unangebrachte Dinge von mir zu geben.
Das scheint nach aussen hin dann wie jemand, der sich komplett unter Kontrolle hat und in jeder Situation einen kühlen Kopf behält.
Dementsprechend verhalten sich auffälligerweise viele Leute mir gegenüber auch sehr freundlich, während sie anderen die kalte Schulter zeigen.
Und es färbt tatsächlich auch auf die eigene Einstellung ab. Anstatt jemanden unschön von der Seite anzugehen, nutzt man die Zeit um sich das Schauspiel von aussen anzusehen und erkennt, dass es völlig unnötig ist.
So schnell wie der Ärger aufgekommen ist, so schnell verpufft er auch wieder, wenn man ihm nicht mit fiesen Kommentaren Nahrung gibt und ihn weiter anfeuert.
Denn in der Regel ändert sich nichts, wenn man seinen Frust herauslässt und meistens kommen solche Situationen auf, ohne dass jemand es gewollt hat.
Es passiert einfach. Da muss man dem Verursacher nicht auch noch böse Wörter an den Kopf werfen, meist hat er eh schon ein schlechtes Gewissen.
Jetzt gilt es diese Erkenntnis praktisch umzusetzen und auch in Sprachen, in denen man die unnötigen Wörter kennt, diese nicht zu gebrauchen und anstatt den Ärger zu unterdrücken, ihn einfach gar nicht mehr aufkommen zu lassen.
In einer grossen Stadt wie Beijing ist das recht einfach: Wenn man in dem einen Laden nicht das bekommt, was man will, oder sich einfach schlecht behandelt fühlt, geht man einfach in den nächsten.