Der lange Marsch zum Himmelspalast
Wenn man an Raumfahrt denkt, fallen einem auf Anhieb zwei Nationen ein: Russland und die USA.
Wer etwas älter ist, wird noch den technischen Wettlauf dieser beiden miterlebt haben. Russland immer eine Nasenlänge voraus, bis die USA dann tatsächlich den ersten bemannten Mondflug initiiert haben (Hier gibt es natürlich auch wieder Verschwörungstheoretiker, die behaupten, dass die Mondlandung in einem Filmstudio aufgenommen wurde. Aber die auf dem Mond aufgestellten Reflektoren während der Apollo11 und den darauf folgenden Missionen,so wie viele andere Umstände, legen nahe, dass es eben doch passiert ist.)
Später ist Europa auch in einigen Weltraumprogrammen involviert gewesen und so hat zum Beispiel die europäische Weltraumorganisation ESA einen nicht unerheblichen Teil zur Erforschung des Alls beigetragen. Zum Beispiel mit Hilfe des Spacelabs, in das auch viel technisches KnowHow aus Deutschland eingeflossen ist.
An China denkt man aus westlicher Sicht erst mal gar nicht so sehr. Aber da sich zur Zeit alles im Wandel befindet, hat China natürlich auch auf diesem Sektor enorm aufgeholt.
China hat seit den 1960er Jahren angefangen eigene Trägerraketen zu entwickeln. Davor haben sie Technik aus der UdSSR genutzt.
Der erste chinesische Erdsatellit wurde im April 1970 ins All gebracht, 1990 folgte der erste Kommunikationssatellit AsiaSat-1.
2003 wurden die ersten Menschen ins All befördert. Und sie haben natürlich wieder einen neuen Namen. Man nennt sie weder Astro- noch Kosmonauten, sondern Taikonauten (fragen Sie mich nicht warum. Ich persönlich finde es schöner, alle diese Leute unabhängig ihrer Herkunft einfach Raumfahrer zu nennen, um den internationalen Schwanzvergleich von vorne herein zu unterbinden.)
2007 begann das Mondprogramm der Chinesen mit dem Mondorbiter 嫦娥1 (Cháng ‘é 1), benannt nach der Mondgötting 嫦娥 (Cháng ‘é), die ich im Artikel Vom Herbstanfang und einer Frau die zum Mond flog bereits einmal erwähnt hatte.
Und es gab 2010 und 2013 die Folgemissionen 嫦娥2 (Cháng ‘é 2) und 嫦娥3 (Cháng ‘é 3).
Um Material und Menschen ins All zu befördern, nutzt China unterschiedliche Modelle des selbst entwickelten Raketentyps 长征 (cháng zhēng), was übersetzt „langer Marsch“ bedeutet um an den, von Chinas kommunistischer Partei heldenhaft beschriebenen, militärischen Rückzug der Streitkräfte 1934/35 zu erinnern, mit dem sich Mao Zedong’s (毛泽东 Máo Zédōng) Truppen seinerzeit aus der Einkreisung durch die Armee Chiang Kai-sheks (蒋介石 Jiǎng Jièshí) befreien konnten.
Es gibt inzwischen etliche Versionen dieser Trägerrakete, die so wohl Lasten in niedrige und mittlere, so wie in geostationäre Umlaufbahnen bringen können.
Diese Rakete ist mehr oder weniger ein Allroundtalent und wird, obwohl man ihr teilweise veraltete Technik vorwirft, inzwischen als leistungsstärker und effizienter als die europäische Trägerrakete „Ariane“ angesehen, die zur Zeit das Nonplusultra in der zivilen Raumfahrt ist.
Allerdings dürfen bis heute keine Satelliten oder andere Güter mit Hilfe einer chinesischen Rakete ins All geschossen werden, die amerikanische Technik enthalten.
Wieder ein Beispiel, an dem sich erahnen lässt, wie gross die Angst der Amerikaner tatsächlich sein muss. Seit geraumer Zeit wird bei Weltraummissionen mit dem ehemaligen Erzfeind Russland zusammengearbeitet, aber nicht mit China. Und so nutzt das Reich der Mitte diese Raketen erst einmal weitgehend für sich selbst.
Es gibt zur Zeit vier Startzentren, von denen aus China Raketen ins All starten lässt:
Seit 1958 das Kosmodrom 酒泉 (jiǔ quán) in der Provinz 甘肃 (gān sù) für bemannte Flüge und für Starts in niedrige und mittlere Umlaufbahnen.
Seit 1966 das Kosmodrom 太原 (tài yuán) in der Provinz 山西 (shān xī) vorwiegend für Starts in niedrige sonnensynchrone und polare Umlaufbahnen.
Seit 1984 das Kosmodrom 西昌 (xī chāng) in der Provinz 四川 (sì chuān) vorwiegend für Starts in geostationäre Umlaufbahnen.
Seit 2016 das Kosmodrom 文昌 (wén chāng) im Nordosten der Insel 海南 (hǎi nán) im äußersten Süden Chinas, für Starts in geostationäre Umlaufbahnen und schwere Lasten im allgemeinen.
Seit 2011 gibt es eine chinesische Raumstation, einen extraterrestrischen Aussenposten mit dem Namen 天宫 (tiān gōng), übersetzt „Himmelspalast“.
Sollte die internationale Raustation ISS tatsächlich, wie geplant 2024 ihren Dienst einstellen, wäre China die einzige Nation mit einem bemannten Aussenposten im All.
Geplant sind viele weitere Missionen, unter anderem die Aussetzung eines Fahrzeugs auf dem Mars, etliche Sonden zur Erforschung des Sonnensystems, Sample return missions (also Missionen die Proben zur Erde zurückbringen sollen) und etliche andere.
Ein sehr ambitioniertes Programm. Ich denke, wir dürfen gespannt sein.