Kuscheln oder essen ?
Es macht zur Zeit eine Meldung die Runde, die in allen sozialen Medien immer wieder gepopstet und repostet wird.
Ein wohl deutsches Unternehmen, das T-Shirts bedruckt, macht unter anderem Werbung mit einem Aufdruck, der weltweit immer mehr Anfeindungen heraufbeschwört.
So prangt auf einem T-Shirt die Aufschrift „Save a dog, eat a Chinese". Übersetzt: „Rette einen Hund, iss einen Chinesen“.
Ein Spruch, der offensichtlich nicht überall so witzig ankommt, wie geplant und der ein oder andere wundert sich, wie solch ein Spruch derartig heftige Reaktionen auslösen kann.
Hintergrund dieses Spruches ist das allgemein vorherrschende Vorurteil, dass der Grossteil der Chinesen angeblich Hunde isst.
Das mag als ein Witz durchgehen, wenn auch als ziemlich flacher, den man sich unter Freunden in Deutschland erzählt, es wird aber schon schwieriger, wenn er in einem internationalen Umfeld auftaucht. Und im chinesischen Kulturkreis ist es kein Witz mehr, sondern nur noch eine rassistische Unverschämtheit.
Dass die Betroffenen hier mit Unverständnis und Wut reagieren ist in Deutschland oft nicht nachzuvollziehen, dabei sollte es eigentlich auf der Hand liegen.
Also schauen wir uns das ganze einmal Punkt für Punkt an:
Dabei gibt es einige wichtige Dinge zu beachten:
Der Umstand, dass in Europa Schweine, Kühe und Hühner nicht als vollwertige Lebewesen angesehen werden, im Gegensatz zu
Hunden zum Beispiel, und diese darum unter oft katastrophalen Lebensbedingungen vegetieren müssen, bis sie dann maschinell getötet und verarbeitet werden, sollte man nicht stolz als Grund dafür benutzen anderen Kulturen barbarisches Verhalten vorzuwerfen, nur weil diese Hunde auf eine Stufe mit anderen Tieren stellen.
Es geht nämlich nicht darum, Hunde anständig zu behandeln, sondern eben alle Tiere (Egal ob Nutz- oder Haustiere).
Und dann im gleichen Atemzug die Chinesen auf eine Stufe zu stellen, die unter der des Hundes ist, indem man vorschlägt einen von ihnen zu essen ist der eigentliche Auslöser des Unmutes und jeder halbwegs gescheite Mensch sollte nachvollziehen können, dass man sich damit keine Freunde macht.
Abgesehen davon, dass es ein herabwürdigender Spruch ist, ist auch die Annahme, der Grossteil der Chinesen würde Hunde essen einfach falsch. Nur eine Minderheit der Chinesen isst tatsächlich Hundefleisch.
Chinesen lieben Hunde mindestens genau so sehr wie die Deutschen. In vielen Familien sind Hunde auf Grund der Ein-Kind Politik zu Familienmitgliedern geworden und werden nicht selten als Sohn oder Tochter bezeichnet.
Für die meisten Chinesen ist es ebenso seltsam Hundefleisch zu essen, wie es für einen Deutschen ist.
Es gibt Vorurteile, die nahe an der Wahrheit sind und welche, die es nicht sind.
Nehmen wir zum Beispiel ein nette Geschichte, die kürzlich passiert ist:
Ein Politikwissenschaftler, der als Südkorea-Experte in einem Live Interview der BBC zugeschaltet war, bekommt unerwartet Besuch seiner Kinder, die unvermittelt ins Bild laufen.
Seine Frau (eine Koreanerin) sprintet hinterher und holt die beiden Störenfriede wieder zurück ins Nebenzimmer.
Und so kommt eine witzige und schöne kleine Videosequenz, die auf allen Videokanälen im Netz zu finden ist, zum leben.
Nun macht sich das ganze Netz Gedanken, wer die Frau gewesen sein könnte, denn zu diesem Zeitpunkt weiss noch niemand, dass es sich hier um die Ehefrau handelt.
Es wird also gemutmasst und man ist sich einig: „Das war das Kindermädchen".
Nachdem die Situation aufgeklärt wurde, wird vielerorts die Frage gestellt: „Warum assoziieren wir automatisch eine asiatische Frau, die sich um die Kinder eines Europäers oder Amerikaners kümmert, mit einem Kindermädchen ?"
Und es wird die Frage gestellt, ob das nicht bereits rassistisch wäre.
Nun, dazu habe ich eine ganz klare, einfache Meinung: Wir assoziieren die Frau mit einem Kindermädchen, da es sehr wahrscheinlich ist.
Zum ersten: In Asien sind Kindermädchen in gewissen gesellschaftlichen Schichten wesentlich verbreiteter als es bei uns der Fall ist.
Zweitens ist ein Ausländer, der in Asien arbeitet, eben genau jene Gruppe Menschen, die nun einmal Kindermädchen haben.
Ich bin auch ein Ausländer, der in Asien arbeitet und ich kenne auch einige andere Ausländer hier, die Kinder haben.
Raten Sie mal: Bis auf eine einzige Ausnahme haben sie alle Kindermädchen.
In diesem Fall ist das Vorurteil schlicht und einfach sehr nah an der Realität. Das ist bei unserem Spruch mit den Chinesen und den Hunden aber nicht der Fall.
Hinzu kommt eine ziemlich selbstgerechte Sichtweise. Warum sollten es ausgerechnet die westlichen Moralvorstellungen sein, die richtig sind ?
Es gibt, wenn man es nüchtern betrachtet, eigentlich gar nicht so viele Gründe, warum der Hund kein Fleischlieferant sein sollte.
Einer der Hauptgründe ist, dass man ihn in früheren Zeiten für andere Dinge besser gebrauchen konnte. Als Wachhund oder für die Jagd eben.
Deshalb werden Hunde nur in seltenen Fällen, in einigen, wenigen asiatischen Staaten (eben nicht nur in China) und hier auch nur in einigen wenigen Provinzen auch als Nutztiere zum Essen gehalten.
Wenn jemand ein Problem damit hat, dass diese Hunde gehalten und geschlachtet werden wie Schafe oder Rinder, dann sollte man doch erwarten, dass dieser jemand auch aufschreit, wenn andere Tiere in der Lebensmittelindustrie landen.
Das ist aber nicht der Fall. Und das ist genau der Vorwurf, den uns die Asiaten machen: Messen mit zweierlei Mass.
Eine Gans, die eine natürliche Lebenserwartung von 35-40 Jahren hätte innerhalb kürzester Zeit fast zu Tode zu füttern und nach nur einigen Monaten Lebenszeit zu schlachten ist in Ordnung, aber einen Hund zu töten um ihn zu essen eben nicht. Das ist scheinheilig und dient nur dazu andere Menschen und Kulturen herabzusetzen.
Es handelt sich hier also um eine ziemlich schräge Sichtweise, welche Tiere man kuscheln und welche man essen darf.
Und natürlich auch um ein sehr weit verbreitetes Vorurteil.
Des öfteren höre ich auch, dass die Hunde angeblich erst geschlagen und gequält werden, bevor man sie tötet, damit das Fleisch zart wird.
Auch das kann ich nicht bestätigen. Etwas derartiges habe ich noch nicht in China mitbekommen und auch keiner meiner chinesischen Kontakte hat je so etwas gehört oder erlebt.
Man bewertet erst einmal eine Sache anhand eines selbstgerechten Wertesystems als böse und behauptet dann, dass der Grossteil einer Gruppe diese tun würde.
Und das macht es zu einem Problem. Es gibt gewisse Dinge, die man nicht hören möchte. Schon gar nicht, wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen.
„Chinesen essen Hunde“ hört sich vielleicht aus deutscher Sicht erst mal nicht schlimm an, kann man, aus einem anderen Kulturpreis betrachtet, aber in eine Reihe stellen mit „Juden sind Wucherer“ oder „Türken riechen nach Knoblauch“.
Das ist definitiv auch nicht witzig und für solche Äußerungen erntet man zu Recht auch Unverständnis oder Anfeindungen.
Wie gesagt: Den meisten Deutschen fällt es gar nicht auf, dass solch ein Spruch ein wirkliches Problem darstellt.
Auch hier habe ich von Asiaten immer wieder schon gehört, dass genau dies die Eigenschaft ist, die Chinesen, Koreaner, Japaner und andere Kulturen an Europäern oder Amerikanern am meisten verachten. Ungerechtfertigte Selbstverherrlichung.
Die eigenen sozialen Sichtweisen sind eben nicht objektiv richtig, sondern bloss anerzogen. Und es kann immer wieder vorkommen, dass man gewisse Dinge woanders nicht so betrachtet, wie man es gewohnt ist.
Normal vernunftbegabten Menschen ist so etwas natürlich klar. Völlig unabhängig davon, wo man herkommt.
Leider gibt es einen Trend, der sich im Moment genau in die Gegenrichtung bewegt. Aber auch das ist wieder ein anderes Thema und soll an anderer Stelle thematisiert werden.
Ich würde mir nur einfach wünschen, dass vermeintlich lustige Sprüche nicht einfach gedankenlos weiter verbreitet werden, sondern erst einmal hinterfragt werden, ob sie nicht vielleicht doch problematisch sein könnten, so wie dieser.