Paketverlust
Die Pakete, die wir vor kurzem bestellt haben sind nicht angekommen.
Auf Nachfrage beim Versandunternehmen bekommt man die Aussage, dass für ganz Beijing der Paketverkehr aus Sicherheitsgründen gestoppt wurde, denn die chinesische Regierung tagt wieder einmal in der Hauptstadt.
Ein Paket unserer Bestellung ist dann doch irgendwie durchgekommen nach ein paar Tagen, aber der Rest ist noch verschwunden. Wir müssen also warten.
Dies ist nur ein kleiner Teil der Sicherheitsmassnahmen, die das tägliche Leben in Beijing beeinflussen, es gibt noch viel weitreichendere Aktionen und alle haben in der ein oder anderen Weise mit „Paketverlust“ zu tun.
Denn der „Paketverlust“ ist auch eine Bezeichnung aus der IT.
Daten, vor allen Dingen im Internet, werden in Datenpaketen gesendet. Dabei kommt es immer wieder vor, dass mal das eine oder andere verlorengeht.
Das ist erst einmal nicht schlimm, da man es ja noch einmal senden kann. Allerdings gibt es auch hier Grenzen.
Wenn das Paket nach einer festgelegten Anzahl von Versuchen immer noch nicht beim Empfänger angekommen ist, dann wird es auch nicht mehr gesendet.
Gründe für Paketverlust gibt es viele: Während der Übertragung fällt eine Netzwerkkomponente aus oder das Kabel befindet sich in einem schlechten Zustand, so dass Störsignale das eigentliche Signal beeinflussen und unbrauchbar machen.
Oder das Paket ist einfach zu lange unterwegs, dann wird es irgendwann automatisch verworfen.
Es kann natürlich auch ganz einfach sein, dass bewusst Mechanismen zwischengeschaltet wurden, die bestimmte Daten herausfiltern und nicht weiterleiten.
Sie haben sicher alle schon mal von einer „Firewall“ gehört. Ein System (gibt es als Software und auch als Hardware), das gezielt eingehende bzw. ausgehende Signale eines Computers oder Netzwerks blockiert. In der Regel um sich vor Schadsoftware oder all zu neugierigen Anfragen aus dem Internet zu schützen.
China hat neben der Chinesischen Mauer (长城 cháng chéng. Also eigentlich korrekt übersetzt die „lange Mauer“), die zweifellos beeindruckend ist, eine weitere grosse Mauer errichtet.
Nicht mit dem Auge zu sehen und auch nicht zu besichtigen, aber allgegenwärtig.
Man spricht hier im Volksmund von der „chinesischen Firewall“.
Sie blockiert neben Verbindungen zu Internetdiensten wie Facebook, Youtube und anderen jetzt auch vermehrt VPN Verbindungen.
Kurz zur Erklärung: Eine VPN-Verbindung ist eine verschlüsselte Verbindung zu einem anderen Gerät, das sich Beispielsweise ausserhalb Chinas befinden kann.
Der eigene Computer nutzt diese Verbindung als wäre sie die lokale und kann so, wenn das Gerät auf der anderen Seite zum Beispiel in Deutschland steht, ganz normal alle Internetseiten aufrufen, die in Deutschland freigegeben sind.
Somit kann man dann auch wieder auf Facebook und Co. zugreifen, während man von aussen nicht sehen kann, was übertragen wird, da die Verbindung ja, wie bereits gesagt verschlüsselt ist (ein VPN kann natürlich noch mehr, aber das soll an dieser Stelle zum Verständnis reichen).
Es gibt etliche Anbieter, die VPN Verbindungen meist kostenpflichtig bereitstellen.
Diese werden auch immer wieder regelmässig von chinesischer Seite blockiert.
Daneben gibt es natürlich auch noch Firmen VPNs und private VPNs.
Am liebsten würde man in China alle VPNs blockieren, da man die verschlüsselte Übertragung nicht einfach so mitlesen kann.
Allerdings sind VPNs für alle grossen Firmen überlebenswichtig, sollte man sie also abschalten, hiesse das China zurück in die Qin-Dynastie (秦朝 qín cháo) zu befördern.
Ohne VPN gäbe es weder modernen Handel, noch Produktion, noch sonst etwas. Das geht so also nicht.
Allerdings gibt es inzwischen derart massiven Druck auf Unternehmen von Seiten der chinesischen Regierung, dass Unternehmen wie Apple, Amazon, Microsoft, und IBM in China grosse Rechenzentren aufgebaut haben, die ganz nach den hiesigen Vorgaben agieren. Somit wird man dann nicht mehr zu amerikanischen Servern verbunden, sondern zu chinesischen.
Und auch sonst hat sich einiges getan: Es ist im chinesischen App Store von Apple zum Beispiel sämtliche VPN Software verschwunden.
Man konnte die vermehrten Einschränkungen auf Grund neuer Sicherheitsvorgaben gerade in letzter Zeit deutlich merken.
Jetzt, da die chinesische Regierung wieder in Beijing tagt, kann man die Auswirkungen nicht nur anhand der unzähligen Polizisten, Soldaten und sonstigen Sicherheitskräfte nachvollziehen, die die Stadt überrannt zu haben scheinen, sondern auch im Internet spürt man die Macht des Staates.
Die facebooknahe Internetplattform WhatsApp ist inzwischen gar nicht mehr zu erreichen, oftmals nicht einmal mehr über einen VPN.
Das chinesische Pendant Wechat (微信 wēi xìn) und andere Diskussionsplattformen im Reich der Mitte lassen Profilbild Änderungen oder Änderungen am Benutzernamen nicht mehr zu.
Benutzer, die keine eine Telefonnummer oder nicht ihren echten Namen angegeben haben, werden aufgefordert dies zu tun (es ist wohl abzusehen, dass alle anderen Accounts irgendwann gesperrt werden).
Diese spezielle Aktion beruht übrigens auf einem Zwischenfall, der sich vor einiger Zeit ereignet hat.
So wie ich gelesen habe, hat ein chinesischer User sein Profilbild in das Konterfei von Osama bin Laden geändert, woraufhin ein befreundeter User diese Aktion in einer privaten Wechat Gruppe (微信 wēi xìn) kommentierte. Erster liess sich dann wohl dazu hinreissen als Scherz so etwas wie „come join ISIS with me“ in dieser Gruppe zu veröffentlichen.
Diese Aktion hat ihm dann, wie man hört, eine Freiheitsstrafe von neun Monaten beschert.
Die Medien fragen sich jetzt, wie diese Aktion aus einer privaten Chatgruppe an die Öffentlichkeit gelangen konnte und sind sich einig: Es ist überhaupt nicht fraglich, schliesslich unterstehen alle grossen chinesischen Unternehmen Kontrollen seitens der Regierung oder sind sogar direkt mit ihr verflochten.
Das mag alles richtig sein, wir wollen aber nicht vergessen, dass einer der User auch einfach die Information anderweitig weitergegeben haben könnte.
Denn (ganz nach „Ockhams Rasiermesser Prinzip“) ist die einfachste Theorie meist die richtige (platt ausgedrückt).
Aber die Möglichkeiten sind auf jeden Fall gegeben, das wollen wir auch festhalten.
Gerade jetzt, wo die Kommunistische Partei wieder in Beijing tagt, sind die Kontrollen besonders extrem.
Private VPN Verbindungen, die man zum Beispiel über TeamViewer eingerichtet hat um von unterwegs auf sein Netzwerk zu Hause zuzugreifen, funktionieren zur Zeit nicht.
Der Firmen VPN funktioniert zwar noch, allerdings wird er so sehr ausgebremst, dass man den Datenpaketen beim Übertragen schon fast zuschauen kann.
Dies ist ein immer aktuelles Thema, wie man bereits in den Artikeln Der gläserne Mensch und Was’n los ?
sehen konnte.
Wer jetzt allerdings glaubt, dass diese Dinge nur ein Phänomen in Fernost seien, der irrt gewaltig.
Eigentlich gibt es in Deutschland Richtlinien zum Datenschutz.
Auch wenn diese immer weiter beschnitten werden.
Wenn wir ein paar Jahre zurückschauen in die 70er Jahre, dann werden wir uns erinnern, dass es einen riesigen Aufschrei in der Bevölkerung gab, als man damals davon sprach die Rasterfahndung einzuführen.
Heute ist sie gängige Praxis und niemand macht sich mehr Gedanken darüber, dass seine Daten tagtäglich irgendwo ausgewertet werden und er im Grunde genommen sein Leben lang als Verdächtiger behandelt wird.
Trotzdem ist in Deutschland, zumindest im internationalen Vergleich, noch ein kleiner Rest Datenschutz vorhanden.
Aber was hilft der, wenn man sich zum Beispiel auf amerikanischen Internetplattformen anmeldet und seine Daten damit anderen preisgibt, die diesen Restriktionen nicht unterliegen ?
Es glauben immer alle, dass man in China komplett überwacht wird, während man daheim die uneingeschränkte Freiheit geniessen kann.
Das ist eine fatale Fehleinschätzung. Ich kann nur immer wieder darauf aufmerksam machen, dass man sich erst einmal schlau machen sollte, bevor man moderne Medien nutzt. Immer und überall.