The heat is on
„The heat is on“ sagte heute einer der Englisch sprechenden Kollegen auf der Arbeit zu mir und sofort wünschte ich mir, ich wäre fünf Minuten später auf Klo gegangen und hätte ihn nicht getroffen.
„The heat is on“ ist ein Lied aus den 80ern, geschrieben von Harold Faltermeyer und Keith Forsey, aufgenommen von Glenn Frey und es war einer der Musictracks zu dem Film „ Beverly Hills Cop“.
Die 80er Jahre waren, was Musik anbetrifft, eine sehr interessante Zeit. Es wurde viel experimentiert und es gibt einige zeitlose Stücke aus diesen Jahren.
Es gibt allerdings auch eine unüberschaubare Menge von anderen Stücken (eigentlich so wie in jeder Epoche).
Das fatale an diesem speziellen Stück ist, dass es meinem Musikgeschmack überhaupt nicht entspricht, aber trotzdem über alle Massen ein Ohrwurm ist.
Und das ist ein richtiges Problem (für mich zumindest). Der Kollege sagte „The heat is on“ und sofort hatte ich den verdammten Refrain dieses Stückes in meinem Kopf, der mich den ganzen Tag auch nicht mehr losgelassen hat.
Es ist wie ein Verkehrsunfall, es ist etwas schreckliches und eigentlich will man es nicht sehen. Aber weggucken kann man trotzdem nicht.
In den 80er Jahren, als ich jung war, habe ich dieses Stück schon gehasst. Zum einen, weil ich es nicht mag, zum anderen, weil es immer und immer wieder totgespielt wurde.
Wohin man auch ging, es war immer und überall. Selbst heute, nur bei dem Gedanken an den Refrain läuft mir einen Schauer kalt den Rücken herunter. Der Tag war also schon versaut.
Aber warum hatte der Kollege es überhaupt gesagt ? „The heat is on", damit meinte er die zentrale Heizung.
In Beijing sind die meisten Haushalte mit einer zentralen Heizung ausgestattet und die wird erst am 15.11. eingeschaltet (ich meine, ich hatte es bereits in einem der früheren Artikel einmal erwähnt).
Kein Wenn und Aber, selbst wenn es draussen bereits schneit, der Termin steht fest. Vor diesem Termin sitzen alle Leute zu Hause und frieren.
Gut, nicht alle. Wir zum Beispiel haben jetzt ein Kleinkind zu Hause, da müssen wir die Räume auf eine angenehme Temperatur bringen.
Somit lief bei uns, seitdem es kälter geworden ist, Tag und Nacht die Klimaanlage auf Heizfunktion.
Sie können sich sicher denken, dass das eine Menge Strom verbraucht. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass chinesische Wohnungen in der Regel nicht besonders gut isoliert sind. Aber man hat leider keine andere Möglichkeit.
Bei anderen Familien sieht es zu dieser Zeit nicht anders aus: Klimaanlage, Heizstrahler, Elektroofen oder was sonst so verfügbar ist.
Viele Leute sitzen auch in dicken Wintermänteln zu Hause und schlafen unter mehreren dicken Decken, teilweise aus Filz.
Das ist aber ganz normal hier. Wenn man sich mit Chinesen unterhält und behauptet, dass man in Deutschland jederzeit heizen kann (auch im Hochsommer, wenn man will), wird man von der Hälfte der Leute entweder staunend oder neidisch angeguckt, die andere Hälfte hält einen einfach für einen Spinner, der Lügengeschichten erzählt.
Aber mit der zentralen Heizung befindet man sich noch auf China’s Sonnenseite (um es mal so auszudrücken).
Entlang einer imaginären Grenze, die ungefähr in Höhe Shanghais verläuft, teilt man das Land in den Zentralheizungs-Norden und den Ohne-Heizungs-Süden ein.
Ich war einmal im Winter zum Frühlingsfest in der Provinz 广西 (guǎng xī) in China’s Süden.
Es waren 6 Grad Celsius plus und man sagte mir, es sei der kälteste Winter in der Geschichte. Was mich tatsächlich verwundert hat, da 6 Grad plus jetzt nicht wirklich kalt klingen.
Wenn man allerdings bedenkt, dass es keine Heizung in den Wohnungen gibt und es drinnen wie draussen 6 Grad sind, sieht die Sache dann doch schon wieder ein wenig anders aus.
Auch in vielen Hotels und Restaurants wird nicht geheizt, die Temperatur ist überall gleich.
Nicht zu vergessen: auf ca. 6 Grad Celsius stellt man seinen Kühlschrank ein, um den Joghurt frisch zu halten.
Wenn man also in ein Restaurant geht, muss man den Stuhl erst einmal mit seiner Körperwärme auf angenehme Temperatur für das eigene Hinterteil bringen, damit man sich nicht komplett unwohl fühlt.
Wenn man gerade angekommen und den deutschen Winter noch gewohnt ist, fühlt man sich noch toll, will die dicke Jacke eigentlich gar nicht anziehen.
Nach der ersten Nacht im 6 Grad kühlen Hotelzimmer geht es auch noch. Die Bettdecke hält einen warm, einzig das Aufstehen ist unangenehm.
Aber bereits einen Tag später merkt man, dass die Knie steif geworden sind.
In unseren Breitengraden sind die Temperaturen zwar wesentlich kälter, allerdings ist man ihnen nur kurze Zeit ausgesetzt, bis man sich wieder aufwärmen kann. Es spielt sich gefühlt alles noch auf der Haut ab.
Ist man längere Zeit draussen, spürt man, wie einem die Kälte unter die Haut geht. Das ist unangenehm.
Wenn man überhaupt nicht zwischendurch aufwärmen kann, spürt man es vermeintlich in den Knochen und die Gelenke werden steif. So geschehen in Südchina.
Also will ich mich gar nicht beschweren, dass die Heizung erst jetzt angestellt wurde.
Jetzt ist sie ja an (und ich versuche verzweifelt dieses Lied wieder aus meinem Kopf zu bekommen).