Einstellungsgespräch mit einem Heckenschützen
Am Ende des Artikels Neue Gesichter hatte ich erwähnt, dass Fotos in den Bewerbungsunterlagen von Frauen in China eher an Fotos auf einer Datingwebsite erinnern als an Bewerbungsfotos.
Aber auch ansonsten unterscheiden sich Bewerbungsunterlagen in China ganz deutlich von denen in Deutschland.
Zur Zeit suche ich eine Aushilfe, die mich auf der Arbeit unterstützen kann. Dabei habe ich weniger mit dem oben beschriebenen Phänomen zu tun, denn auf eine Stelle im IT Bereich bewerben sich auch in China in der Regel nur männliche Interessenten.
Aber auch deren Bewerbungsunterlagen sind durchaus einen Artikel in diesem Blog wert.
Es gibt keine feste Regel, wie ein Lebenslauf in China auszusehen hat und die meisten Interessenten, die für diese Stelle in Frage kommen würden, haben gerade fertig studiert oder befinden sich noch im Studium. Sie haben also dementsprechend auch keine besonderen Berufserfahrungen vorzuweisen mit denen sie das Blatt füllen könnten und so werden sie nicht selten äusserst kreativ, wenn es darum geht, ihren Lebenslauf zu gestalten. Es fängt bei Übertreibungen an.
Jeder Student, der im Umfeld der IT studiert, lernt mindestens eine Programmiersprache (Meist fängt man mit Java an, da sich hier sehr gut die objektorientierte Programmierung erklären lässt).
Die Studenten haben dann die grundlegenden Funktionen dieser Sprachen alle einmal kennengelernt.
Um sich von den vielen anderen Mitbewerbern abzusetzen, muss man aber schon etwas besonderes vorweisen können und so wird dann gerne mal das Level als gut oder sehr gut angegeben.
Ich habe mehr als einmal einen Lebenslauf in den Händen gehalten, in dem ein Bewerber, der sich noch mitten im Studium befand, seine Programmierkenntnisse in drei und mehr Programmiersprachen, wie Java, C++ und PHP als sehr gut eingestuft hatte.
Das ist selbst für einen alteingesessenen IT-Profi ein Ding der Unmöglichkeit.
Ich frage den Bewerber dann immer gerne im Vorstellungsgespräch wie viele Jahre er denn schon professionell programmiert und für welche Firma. Wir einigen uns dann stets darauf, dass er gute oder sehr gute GRUNDkenntnisse besitzt.
Aber auch sonst wird viel erfunden. Sollte ein Anwärter tatsächlich schon Erfahrungen aus der Arbeitswelt mitbringen, wird dieses Ereignis auch immer etwas geschönt.
Ein Bewerber konzentrierte sich zum Beispiel in seinem Studium auf “the internet of things”, also IPv6 (eine neue Methode IP Adressen zu vergeben, die es, ganz platt erklärt, theoretisch möglich macht jeder Kaffeemaschine und jeder Nachttischlampe einen Internetzugang zu geben über den sie dann kommunizieren können. Einige Leute sehen in dieser Technik bereits die Grundsteinlegung für die Versklavung der Menschheit durch die Maschinen. Aber das nur am Rande).
Somit hatte er in seiner Tätigkeit als Aushilfe bei einem der grossen chinesischen Telefonunternehmen angeblich auch in diesem Themenfeld gearbeitet. So hatte er es zumindest in seinen Unterlagen geschrieben.
Beim Telefongespräch mit ihm hat sich dann aber schnell herausgestellt, dass er bloss Laufbursche in einem Support-Center war, der Anfragen sortiert hatte.
Auch die bestandenen Englischprüfungen werden immer voller Stolz angegeben. Trotzdem ist man beim lesen der Unterlagen stets geneigt dem Verfasser zu empfehlen, das ganze doch lieber erst einmal von jemandem gegenlesen zu lassen, bevor man sich damit bewirbt. Teilweise ergeben die Sätze überhaupt keinen nachvollziehbaren Sinn.
Je mehr Bewerbungsunterlagen man auswertet, desto mehr bemerkt man, dass die Angaben, die sie enthalten in der Regel falsch oder zumindest nicht einhundert prozentig wahrheitsgetreu sind.
Man muss die Leute also zum Gespräch einladen und dann tatsächlich auch testen.
Denn viele der Bewerber können gut reden, wenn man sie aber vor ein konkretes Problem stellt, das sie lösen sollen, wissen viele nicht einmal wo sie anfangen sollen. Das ist ein grosses Problem, schliesslich suche ich jemanden, der Computerprobleme lösen kann.
Aber das schönste habe ich mir bis zum Schluss aufbewahrt: Ein Bewerber hat mich mit seinem Lebenslauf tatsächlich aus den Socken gehauen.
Zum ersten waren natürlich alle Übertreibungen auch hier wieder bis zum Exzess genutzt worden, um sie aber zu rechtfertigen kam in fast jedem Satz das Wort „honestly" (ungelogen) vor. Alleine das sollte den Leser schon stutzig werden lassen.
Darüber hinaus bestand der Lebenslauf aus gerade einmal 5 Zeilen über sein gerade abgeschlossenes IT Studium, der Rest der Seite handelte davon, dass er Klavier spielt (wie ein Weltmeister natürlich), Basketball und Fussball mag und so weiter und so fort.
Um dem ganzen dann die Krone aufzusetzen schrieb er folgendes: „I can kill a squad by only myself in PLAYERUNKNOWN’S BATTLEGROUNDS"
Um es für die Laien zu übersetzen: Er kann in dem Spiel „PlayerUnknown’s Battlegrounds“, einem sogenannten Shooter, also einem Kriegsspiel, ohne fremde Hilfe ein ganzes feindliches Team töten.
Na, wenn das nicht mal eine Fertigkeit ist, die man im täglichen Arbeitsleben brauchen könnte.